Nach reiflicher Überlegung habe ich mich doch noch entschlossen, meinen Lebensweg vor, in und vor allem nach Raumberg zu beschreiben. Er ist wohl etwas ungewöhnlich verlaufen, aber vielleicht ist das gerade eine Anregung für Jüngere, die ausgetretenen Wege auch einmal zu verlassen.
Vor Raumberg: hier ist nur von einem wegen der Nachkriegszeit auf 2 Schulen verteilten 6-jährigen Realgymnasium-Besuch zu berichten, wodurch ich also trotz positiver Zeugnisse keinen Schulabschluss hatte. Zu diesem Zeitpunkt war vorgesehen, dass der elterliche Hof von mir geführt werden sollte. Ich wollte als Niederösterreicher nach Wieselburg, da war kein Platz mehr frei, also versuchte ich es in Raumberg und wurde da – trotz nicht optimal verlaufenem Aufnahmegespräch – aufgenommen.
In Raumberg: meine Erinnerungen an die „Klosterkaserne“ sind ähnlich wie die von anderen Autoren beschriebenen (Fill in Absolv.-Rundschau 180, Hoi in Absolv.-Rundschau 179). Um die Diskussion über die padagogischen Methoden von HR Lerner nicht noch weiter anzuheizen, möchte ich dazu nichts schreiben und folge damit den Empfehlungen von Danklmaier (Absolv.-Rundschau 181). Wiewohl noch eins: der Direktor einer von nur 2 entsprechenden Bildungseinrichtungen in Österreich und Beamter des BuMin für Land- und Forstwirtschaft ist nicht irgend eine Privatperson, sondern in meinen Augen eine Person der Geschichte, über deren Wirken man durchaus geteilter Meinung sein kann und eine geschichtliche Aufarbeitung möglich sein müsste – sine ira et studio und aus genügender historischer Entfernung.
Durch die von der solitären Lage des Internats bedingte Konzentration auf das Wesentliche – nämlich zu lernen – entwickelte ich mich zu einem ganz passablen Schüler. Die Notwendigkeit, mich ohne familiären Einfluss in einem Kollektiv von 56 Schülern zu behaupten, tat der Entwicklung meiner Selbständigkeit sehr gut. Wie gut wir untereinander zusammenhielten, sehen wir an den intensiven Gesprächen bei unseren Zusammenkünften, die auch 2022 – 60 Jahre nach der Matura – immer noch gut besucht sind. Fazit: die durch den Gegensatz zum Direktor immer fester werdende Klassengemeinschaft hat mich für’s Leben gelehrt, dass es durchaus notwendig sein kann, gegen die jeweilige Obrigkeit aufzustehen – um sich selbst noch im Spiegel anschauen zu können.
Nach Raumberg: der Hof war aus Gründen, die im familiären Umfeld lagen, verpachtet, weder lebendes noch totes Inventar war noch vorhanden – der Entschluss (auch in der Familie) reifte, einen anderen Weg zu wählen. Landwirtschaftliches Bauwesen (HR Wagner) erweckte mein Interesse an technischen Fächern – kurzum: ich wollte Kulturtechnik studieren. Dazu war aber zusätzlich zur Fachmatura die allgemeine Reifeprüfung erforderlich. Vorprüfung im Anschluss an die Osterferien 1962 (Urlaub war von der Schulleitung nicht zu erwarten, also musste ich zu Hause „erkranken“) und Hauptprüfung vor dem Wiener Stadtschulrat am 16.10.1962 u.a. aus den Fächern: Deutsch, Englisch und Latein – schriftlich und mündlich. Mathe war mir aufgrund der in Raumberg erworbenen Kenntnisse erlassen worden!! Ab Semesterbeginn Anfang Oktober bis zu diesem Zeitpunkt durfte ich an der Boku die Vorlesungen und Übungen als Gasthörer besuchen. Nach anfänglichen erheblichen Schwierigkeiten – natürlich im Fach Mathematik – fand ich mich im Studium der Kulturtechnik ganz gut zurecht. Es gelang mir, vom österr. Staat ein Stipendium zu erhalten. Der dafür erforderliche Nachweis von Prüfungen über Vorlesungen mit 20 Semesterwochenstunden pro Jahr mit definiertem Maximal-Notendurchschnitt war ein recht guter Anreiz, das Studium ernsthaft zu verfolgen, andererseits konnte ich mich nach Einhaltung dieser Pflichtauflage durchaus auch dem Wiener Kulturleben widmen – der Stehplatz in den Staatstheatern wurde recht oft von mir genutzt.
In den Ferien gab es keine Auszahlung des Stipendiums: wieder ein segensreicher Druck, mich um andere Einnahmequellen zu bemühen. Ferienpraktika bei ZT Wagensommerer (Vermessungswesen) in Neulengbach, im Konstruktionsbüro bei D&W in Hannover (konstruktiver Ingenieurbau-Planung), auf der Baustelle der Arge Avon bei München (Industriebau-Ausführung)– und am Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft der Technischen Hochschule Hannover (heute LUH – Leibniz-Universität Hannover) brachten neben den erforderlichen Einkünften vor allem ganz wichtige Impulse für das Studium – und von der letzteren Tätigkeit eine Entscheidung für mein weiteres Berufsleben. Beim Abschied vom „Ferienjob“ eröffnete mir der Institutsleiter die Möglichkeit, als Dipl.-Ing. wieder zu kommen. So meldete ich mich im April 1969 bei Prof. p.t. Dieter Kehr als im März frischgebackener Dipl.-Ing. und wurde zum 1.Mai als Forschungsmitarbeiter (bezahlt aus Drittmitteln) eingestellt. Kehr hatte in seinem Institut die Einheit von Lehre, Forschung und Ingenieur-Praxis verwirklicht. Nach ersten planerischen Tätigkeiten und einer Bauleitungsaufgabe wurde ich als Sachbearbeiter mit einem Forschungsprojekt betraut, was mir die Möglichkeit zur Promotion bot, die dann auch knapp vor Beendigung meines 5-Jahre-Zeitraumes erfolgte.
Nach dieser Hochschul-Phase führte mich im Februar 1974 der Weg zum Ing.-Büro Schwarz in Rott am Inn (Bayern). Hier traf ich einen Studienkollegen und andere Kulturtechniker wieder, weil Schwarz auch Inhaber des Techn. Büro SIWAKA in Seeboden, bzw. später Villach war. Wegen meiner seit Hannover fortschreitenden Spezialisierung auf das Gebiet der Abwasserreinigung war ich für eine große Zahl einschlägiger Projekte im gesamten Tätigkeitsbereich des Ing.-Büro’s zuständig: als geographische Eckpunkte für diese Projekte will ich St. Kanzian und Spittal a.d. Drau in Kärnten, Kelheim, Deggendorf und Vilshofen an der bayerischen Donau und Röhrnbach im Bayer. Wald benennen.
Mein kritischer Geist brachte mir bei dem (inzwischen zur Schwarz-Ingenieurgesellschaft m.b.H. umbenannten) Ingenieurbüro auch die Funktion des Betriebsrates ein. Dabei hatte ich mich wohl bei der Geschäftsführung nicht beliebt gemacht, denn bald nach der (freiwilligen) Beendigung dieses Mandates erhielt ich zum Ende 1984 die Kündigung. Mit 2 schulpflichtigen Kindern und einem Kleinkind, sowie einem Berg von Schulden für das 1983 bezogene Eigenheim war ich dann froh, als Wissenschaftlicher Mitarbeiter (diesmal auf Planstelle) am Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg bei München (UniBwM) „landen“ zu können. Die deutsche Bundeswehr betreibt eine eigene Universität und FH mit weitgehend zivilen Lehrinhalten, um ihren Zeitsoldaten eine angemessene Tätigkeit nach Ihrer Dienstzeit (meist 12 Jahre) zu ermöglichen. An der UniBwM gibt es auch eine Fakultät für Bauingenieurwesen und hier ein Institut für Wasserwesen mit einer Professur für Siedlungswasserwirtschaft (www.unibw.de).
Abgesehen von der relativ großen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort von 50 km war das wieder eine sehr interessante Aufgabe, weil auch mein dortiger Vorgesetzter, Prof. Teichmann, ebenfalls ein Kehr-Schüler, die Einheit von Forschung, Lehre und praktischer Beratungstätigkeit hochhielt. Nachdem diese Kontakte mit praktischen Aufgaben stets dazu führen, dass die Lehre nicht „verschimmelt“ und auch dazu führte, dass Studenten in ihren Seminar- und Diplomarbeiten an der Lösung von Problemen der Praxis mitarbeiten können, wurde diese Einheit auch seitens der Universitätsführung gefördert. Die Durchführung von Forschungsprojekten ist ja eine Pflicht-Aufgabe universitärer Lehr-Institute. Mein Bekanntheitsgrad bei verschiedenen Ingenieurbüros führte nebenbei auch zur Beauftragung mit eigenen planerischen Beratungstätigkeiten, die ebenfalls von der Uni-Leitung aus zuvor genannten Gründen gefördert wurden.
1997 wurde das Lektorat für Siedlungswasserbau im Fachbereich Bauingenieurwesen an der 1995 gestarteten Fachhochschule Technikum Kärnten (derzeitiger Name FH Kärnten) ausgeschrieben und ich wurde nach einem Ausschreibungs-Wettbewerb mit dieser Aufgabe betraut, die ich bis zum Jahre 2013 wahrgenommen habe, zuletzt neben meiner Altersteilzeit an der UniBwM (2002 – 2005) und der deutschen Rente. Auch an der FH-K konnten die Studenten durch meine Zusammenarbeit mit örtlichen Zivilingenieuren und wirtschaftlichen Einrichtungen in ihren notwendigen Vertiefungsarbeiten an der Lösung örtlich anstehender Probleme beteiligt werden. Es faszinierte mich auch hier immer wieder, zu welch großen fachlichen Leistungen Studenten mit ihrem frischen und unverstellten Herangehen an gestellte Aufgaben fähig sind.
Seit 2013 befinde ich mich endgültig im Ruhestand, den ich durch sportliche Betätigungen (Walken, Radeln, Berggehen, etc.) auf möglichst lange Zeit auszudehnen versuche.
Zuletzt meine persönlichen Daten: geboren 1942, bei Beginn meiner Raumberger Zeit war ich also 16 Jahre und meines Erinnerns der zweit-jüngste im Jahrgang. Seit 1972 verheiratet, 3 Kinder, 6 Enkelkinder. Seit 1969 „Gastarbeiter“, an der FH-K als Lektor zu Hause arbeitender Gastarbeiter, danach „Gast-Rentner“ in D.
Bericht und Fotos: DI Dr. nat. tech. Wilhelm Gallent (MJ 1962)
Erschienen in Absolventenrundschau Nr. 182